Keine Demonstrationen, kein Aufstand, kein Frühling.

Rudolf Moser

Geburtsdatum 1.4.1923
Todesdatum unbekannt [Winter 1944/45]              Todesortunbekannt [letzter bekannte Aufenthaltsort Gorenja Trebuša]

Rudolf Moser, geboren am 1. April 1923 in Dellach im Gailtal, stammte aus der Familie des Besitzers Josef Moser und der Dienstmagd Maria Moser (geb. Eder), die in bescheidenen Verhältnissen in Dellach 10 lebte. Maria Moser brachte zwischen 1908 und 1927 neun Mädchen und fünf Buben zur Welt. Sieben der Mädchen starben vor Erreichen ihres zweiten Geburtstages an Krankheiten. Von den fünf Buben überlebte nur einer (Mathias geb. 1919, gest. 1977) den Zweiten Weltkrieg. Rudolf, über dessen Kindheit und frühe Jugend nichts bekannt ist, erhielt 1942 die Einberufung zur Wehrmacht. Er trat den Dienst am 6. Juni 1942 in Villach bei der 9. Ausbildungskompanie des Gebirgsjägerersatzregiments 139 in Villach an.

Bereits zehn Tage später erlitt Rudolf Moser eine Gehirnerschütterung und wurde bis Ende Juni 1942 im Reservelazarett I in Graz behandelt. Anschließend verblieb er fast drei Monate im Reservelazarett IV in Graz zur, wie es im Wehrmachtschriftgut heißt, „Behandlung Geisteszustand“. Am 22. Oktober 1942 wurde Rudolf Moser als dienstunfähig bei der Heeresentlassungsstelle in Klagenfurt gemeldet und am 10. November 1942 aus der Wehrmacht entlassen. Diese rudimentären Angaben weisen auf eine während der ersten Zeit der Ausbildung erlittene schwere Verletzung hin. Sie zeigen zugleich, dass die späteren Angaben in SOE-Quellen zu seinem militärischen Rang eines Unteroffiziers nicht zutreffen.

Gesichert ist, dass Rudolf Moser im Sommer 1944 als Viehhirte und Almbewirtschafter auf der Plöckenalm in den Karnischen Alpen arbeitete. Die Alm gehörte zum Besitz des ehemaligen k.u.k.-Offiziers Carl Gressel aus Mauthen. Mehrere Fotos aus dem Sommer 1944 zeigen Rudolf Moser auf der Plöckenalm u. a. mit seinem zwölfjährigen Neffen Gottlieb Steiner.

Auf der Plöckenalm lernte Rudolf Moser im Juni 1944 den 46-jährigen Bäcker Georg Dereatti aus Villach kennen. Dereatti war Mitte der 1930er Jahre nach Friaul ausgewandert, wo er in Gemona in seinem erlernten Beruf tätig war. Als ihn die deutschen Besatzungsbehörden Ende 1943 als Dolmetsch rekrutieren wollten, schloss er sich den friulanischen Partisanen an. Anfang Juni 1944 beauftragte ihn der bei den Osoppo-Partisanen in Tramonti stationierte Offizier des britischen Kriegsgeheimdienstes Special Operations Executive (SOE) Manfred Czernin (Sohn des k.u.k.-Diplomaten Otto Czernin), in Kärnten und Osttirol sichere Unterkünfte für österreichische Widerstandskämpfer zu organisieren, die Czernin im Sommer in das Deutsche Reich einschleusen wollte.

Bereits bei seinem ersten illegalen Grenzübertritt freundete sich Dereatti mit Rudolf Moser auf der Plöckenalm an. Dereatti beschrieb Moser später in einem Verhör durch die jugoslawische Geheimpolizei Ozna als mittelgroßen, schlanken Burschen, mit blonden Haaren und blauen Augen. Als besonderes Kennzeichen nannte er das Fehlen von Gliedern an zwei Fingern einer Hand, was auf einem der Fotos unter starker Vergrößerung erkennbar ist. Dereatti zu Folge war Moser sehr gegen Hitler und sogar kommunistisch eingestellt.

Als Dereatti in der zweiten Augusthälfte den Tiroler Sozialisten und SOE-Offizier Hubert Mayr, der am 12. August 1944 in Tramonti per Fallschirm gelandet war, über die Plöckenalm nach Kärnten führte, lernte Moser auch ihn kennen. Moser wollte sich den beiden sofort anschließen, wurde von Mayr aber angehalten bis zu seiner Rückkehr zu warten.

In der Zwischenzeit erhielt Rudolf Moser eine neue Einberufung zur Wehrmacht, der er aber nicht mehr Folge leistete. Seit Mai 1944 waren drei seiner Brüder als Wehrmachtssoldaten gefallen. Moser setzte sich Ende August in das Dorf Timau an der südlichen Flanke der Karnischen Alpen ab. Bereits am 29. August 1944 hielt der Chronist des Gendarmeriepostens Mauthen fest, dass „sich Rudolf Moser aus Dellach im Gailtal (…) mit den italienischen Partisanen in der Gegend betätigt.“

Tatsächlich stellte ihn Georg Dereatti den in Treppo Carnico bzw. Forni Avoltri stationierten SOE-Offizieren Patrick Martin-Smith und George Fielding vor. Vom 29. August 1944 datiert eine Funkmeldung Fieldings an die SOE-Zentrale in Bari, mit der er die Anwerbung Rudolf Mosers als Kontakthersteller und Kurier für Hubert Mayr (alias „Banks“) bekannt gab. Moser werde künftig nur mehr mit seinem Decknamen „Henry“ genannt. Moser soll auch mit gefälschten Papieren ausgestattet worden sein. Mit großer Sicherheit wurde er auf das Verhalten im Fall einer Festnahme vorbereitet.

Im September und Oktober 1944 überquerte Rudolf Moser mehrfach die mittlerweile schwer bewachte Grenze, um Kontaktaufnahmen und Kurierdienste für die SOE-Offiziere in Friaul und in Oberkärnten/Osttirol zu leisten. Moser legte dabei zu Fuß weite Strecken bis ins Villgratental und in das Obere Drautal zurück. SOE-Offiziere charakterisierten ihn als „sehr stürmischen, aber guten Gefährten“. Er habe an der Organisation von Widerstand mitgearbeitet, „weil es ihm Spaß machte“.

Zuletzt pendelte Rudolf Moser zwischen Außervillgraten, wo Hubert Mayr Unterstützung bei lokalen NS-Gegnern („Winkeltaler Widerstandsgruppe“) und Forni Avoltri, wo die SOE-Offiziere George Fielding, Charles Barker und William Smallwood stationiert waren. Mayr plante im Villgratental den Abwurf von Waffen und anderem Material für Widerstandsaktionen.

In britischen Quellen taucht Rudolf Moser zuletzt am 12. Oktober 1944 auf, als er in Forni Avoltri gesehen worden ist. Einen Tag vorher war das Dorf von einer aus dem Lesachtal eingefallenen 120 Mann starken SS-Einheit heimgesucht worden, die auch die SOE-Offiziere von ihrem Stützpunkt, dem Hotel „Sotto Corona“, vertrieben hatte. Rudolf Moser traf die SOE-Offiziere nicht mehr an. Wehrmacht, SS, faschistische Verbände und Kosakeneinheiten zerstörten in den folgenden Wochen die Partisanen-Republiken in Friaul.

Seit dem Fund der Verhörprotokolle der OZNA mit Hubert Mayr, Rudolf Moser und Georg Dereatti lassen sich seine weiteren Bewegungen bis Mitte November 1944 rekonstruieren. Ebenfalls am 12. Oktober wurde auch die Widerstandsgruppe in Außervillgraten verraten. Die Gestapo Sillian nahm Eduard Kerschbamer, Emma Obbrugger und Josef Lusser fest, die Hubert Mayr, Georg Dereatti und Rudolf Moser beherbergt hatten. Weitere Verhaftungen gab es bei Stützpunkten im Oberen Gailtal.

Mayr und Moser flüchteten zu einem Stützpunkt in Unterpirkach bei Oberdrauburg und weiter zur Familie des Bauern Ludwig Hassler in Dellach im Drautal, dessen Söhne, der Wehrmachtsdeserteur Stefan Hassler und Johann Hassler, ebenfalls als Kuriere für die SOE-Offiziere gearbeitet hatten. Von Ludwig Hassler erhielten sie die Adresse eines verlässlichen Bauern in Bleiburg/Kreuth, von dem sie wiederum zu einem Bauern in Altfinkenstein weitergeleitet wurden. Nach drei Tagen Suche in den Wäldern rund um den Mittagskogel trafen Mayr und Moser spätestens Ende Oktober 1944 auf Partisanen der Gailtaler Kompanie, die sie aufnahmen. Die Gailtaler Kompanie war die am weitesten westlich agierende Partisanengruppe. Sie war Ende August 1944 aus 21 Mann im Soča-Tal wiederaufgestellt worden, nachdem sie im Juli daran gescheitert war, sich im Gailtal zu etablieren. Organisatorisch gehörte die Einheit zum 1. Bataillon des Westkärntner Partisanenverbandes.

Im Aktenbestand der Nachrichtenabteilung des Kärntner Partisanenkommandos [Koroški odred – ObvešÄevali oddelek] ist ein kurzer, undatierter Bericht mit dem Titel „Aussagen der Amerikaner Georg und Henry“ [Izjave ki sta jih dala amerikanca Georg in Henry] enthalten, der erst Wochen später vom Spionageabwehr-Offizier des Kärntner Partisanenkommandos, Grega, auf Basis mündlicher Mitteilungen von Vojan Rus, dem Politkommissar der Gailtaler Kompanie, verfasst worden ist. Vojan Rus und ein weiterer Partisan waren die einzigen Angehörigen der Gailtaler Kompanie, die das Kärntner Partisanenkommando in der Nähe von Eisenkappel erreichten, nachdem NS-Verbände die Einheit bei Kämpfen am 16. November am Wurzenpass und am 20. November südlich von Altfinkenstein zerschlagen hatten. Die Überlieferung der Aufnahme von Mayr und Moser fand also unter denkbar schwierigen Bedingungen statt.

Grega verfasste den Bericht für die Nachrichtenabteilung des IX. Partisanenkorps, das im östlichen Friaul, in der Primorska und in Oberkrain agierte. Der Bericht erreichte das IX. Partisanenkorps, dessen Hauptquartier in ÄŒepovan war, als Beilage zu einem Brief, der mit 4. Februar 1945 datiert war und auf zwei Berichte verweist, einen mit Aussagen zweier Briten, die von der Gailtaler Kompanie aufgenommen worden waren und einen Bericht über Aussagen zweier Amerikaner, die sich beim Kärntner Kommando aufgehalten hatten. Bei letzteren handelte es sich um die beiden Offiziere des amerikanischen Office of Strategic Services Ernest Knoth und Julius Rosenfeld, deren Verbleib bislang ungeklärt ist.

Der Titel des Berichts von Grega ist somit fehlerhaft. Dies wird auch sofort an den näheren Identitätsangaben zu den befragten Männern deutlich: „Georg Sharles Pamp, geboren 28.11.1903 in Hull, England, Oberleutnant. Henry Neuman, geb. 1.6.1923 in London, England, Unteroffizier. Sie gaben an, dass sie dem Englischen Spezialkommando für die Ausbildung von Soldaten [angehören], die in den besetzten Gebieten abgeworfen werden, um Aufstände zu organisieren.“ Die Angaben enthalten Fehler, die mit der phonetischen Schreibweise, wohl auch mit der verzögerten Überlieferung zu tun haben. Der Kampfname Mayrs war seinem SOE-Personalakt zu Folge „Banks“ nicht "Pamp", sein tatsächliches Geburtsdatum, welches für die Deckidentitäten nicht geändert wurde, war 28.11.1913. Der vollständige Kampfname Rudolf Mosers, wie hier mit Henry Neuman angegeben, ist in den SOE-Akten nicht enthalten. Wie oben dargestellt, lautet der in den SOE-Quellen verzeichnete Alias-Name „Henry". Das im Bericht gegebene Geburtsdatum weicht geringfügig von seinem tatsächlichen Geburtsdatum 1.4.1923 ab. Vojan Rus berichtete Grega, dass die beiden Männer Anfang November über Kuriere zum IX. Korps weitergeschickt wurden, weil zu diesem Zeitpunkt der Kontakt zum Kärntner Partisanenkommando abgerissen war.

Das zweite vorliegende Dokument, das sich ad personam mit Rudolf Moser befasst, stammt aus dem Bestand der II. Abteilung der OZNA beim IX. Korps, ist mit „Verhör“ [Zasliševanje] betitelt und trägt die Orts- und Zeitangaben „Standort [Položáj], 11.11.44“. Das Dokument wurde von Maks [Miro Perc – Maks], dem Chef der OZNA-Station beim IX. Korps in Gorenja Trebuša mit dem Datum „15.11.44“ abgefertigt. Die im Bericht enthaltenen Informationen betreffen „Henrich Nejuman“, geboren am 1.4.1923 in London. Das Geburtsdatum ist in diesem Dokument gleichlautend mit jenem von Rudolf Moser. Die anderen Angaben zu seiner Person weichen erheblich von seinem tatsächlichen Lebenslauf ab und geben die Deckidentität wieder, die Moser von den SOE-Offizieren in Friaul erhalten hat.

Gleich zu Beginn wird auch der Status des Befragten festgehalten: Er sei in Zivil gefangen genommen worden. Die Deckidentität enthält Konstruktionen, die auch bei anderen Österreichern bei SOE verwendet wurden, insbesondere einen langen Aufenthalt in der Schweiz, wohl um die perfekten Deutschkenntnisse zu erklären. So habe er bis 1938 in der Schweiz gelebt, wo der Vater Vertreter einer englischen Firma sei. Als Ausbildung gab er Volksschule, eine Mechanikerlehre und eine weiterführende Fachschule an. Als Soldat sei er den Pionieren zugeteilt gewesen und habe österreichische Flüchtlinge ausgebildet. Er sei bei Udine mit dem Fallschirm abgesprungen, um sich der englischen Mission in Forni Avoltri anzuschließen. Dort habe er bei den Partisanen gewohnt, die der englischen Mission zugeteilt waren.

Moser schildert dann kurz die Zusammenarbeit mit seinem Offizier „Panks“ [Hubert Mayr] und die Verbindungen, die sie im Gail-, Drau- und Villgratental aufbauten. Moser nannte Georg Dereatti mit dessen Aliasnamen „Vienna“, der als „Verner“ protokolliert wurde und dessen Partisaneneinheit in der Nähe von Kamelijansko [Comeglians] stationiert sei. Bei der Rekonstruktion der Bewegungen sind die Ortsnamen häufig phonetisch niedergeschrieben und manche Personennamen zum Teil verwechselt oder unkorrekt angegeben, zum Beispiel wird Ludwig Hassler als Name des Deserteurs angegeben, der die sichere Unterkunft in Dellach im Drautal anbot und die Adresse eines Bauern in Bleiberg Kreuth gegeben habe. Tatsächlich war Ludwig Hassler der Vater des Wehrmachtsdeserteurs Stefan Hassler, der unter den Aliasnamen „Otto“ und „Hans“ als Kurier und Kontaktmann für die SOE-Offiziere tätig war. Als Grund für die Kontaktaufnahme mit den slowenischen Partisanen gab Moser korrekt an, dass die Verbindungen zum eigenen Kommando abgebrochen waren, als sie sich in bei einem Stützpunkt in Unterpirkach aufgehalten hatten. „In Dellach im Drautal hatten wir schon die Absicht, uns den jugoslawischen Partisanen anzuschließen, weil es keinen anderen Weg zur Rückkehr gab, da die Deutschen große Hinterhalte und Razzien begonnen hatten.“

Weitere Informationen, die Rudolf Moser gab, betrafen Gespräche, die Hubert Mayr in Bleiberg Kreuth mit dem Dorfpfarrer und einem Wehrmachtsarzt geführt hatte, sowie einen Bauern in Altfinkenstein, der den Partisanen erklärt habe, dass sie keine Spione seien. Nachfragen stellte Maks offenbar zu den Kontakten Mayrs im Villgratental, namentlich zu Eduard Kerschbamer, im Dokument als Dr. Kerschbaumer angeführt, der als ehemaliger österreichischer Offizier Kontakt zu 150 Offizieren der früheren Tiroler Freiheitsschützen in Innsbruck habe. Als weiteren Partner im Villgratental gab Moser den Großbauer Josef Kusser [richtig: Johann Lusser] an. Für Villach nannte Moser 35 Wehrmachtsoffiziere, die man gegen den Nazismus einsetzen könne. Als „Zweck des Ganzen“ gab Moser an, „dass mein Offizier in diesen Teilen Österreichs Menschen für einen Aufstand und Sabotageaktionen organisiere“.

Der Bericht über das Verhör ist die letzte schriftliche Spur von Rudolf Moser. Er befand sich nicht unter den SOE-Mitarbeitern, die von den britischen Militärmissionen in Slowenien nach Italien evakuiert wurden. Ebenso wenig wurden britische Stellen in Slowenien, Italien oder Österreich während des Krieges oder nach dem Krieg über das Faktum seiner Festnahme informiert. Die Suche von britischen Fahndern nach Mayr, Dereatti und Moser verlief bis 1947 in Kärnten ergebnislos. In den Akten gibt es keine Hinweise darauf, dass die Fahnder in Betracht zogen, Mayr, Moser und Dereatti hätten sich im Herbst oder Winter 1944/45 in Slowenien befunden.

Die Historikerin und ehemalige Archivarin der OZNA-Bestände im slowenischen Staatsarchiv Ljuba Dornik Šubelj publizierte Auszüge aus den Verhören und Berichten der OZNA zu „Panks“ und „Nejuman“ bereits 1999 und 2006, konnte ihre wahre Identität jedoch nicht herausfinden. Abgesehen von den Deckidentitäten wurde das volle Verständnis der Dokumente dadurch erschwert, dass der jugoslawische Geheimdienst UDBA – die Nachfolgeorganisation der OZNA – die Dokumente in den 1950er Jahren auf Mikrofilm gebannt und dabei die ursprüngliche Ordnung korrumpiert hat. Auf der entsprechenden Mikrofilmrolle findet sich das Verhör von Henrich Nejuman [Rudolf Moser] vom 11.11.1944 auf Bild Nr. 085412. Das folgende genauere Protokoll eines Verhöres datiert mit 12.11.1944 und erweckt den Eindruck, dass es ebenfalls Henrich Nejuman betrifft, weil es keinen Titel trägt bzw. den Namen des Befragten nicht ausweist. Ljuba Dornik Šubelj ging jedenfalls davon aus, dass beide Dokument dieselbe Person betreffen.

Bei Kenntnis der Biographie von Hubert Mayr stellt sich allerdings sehr schnell heraus, dass nur die erste Seite des vermeintlich zusammengehörenden Dokuments Henrich Nejuman [Rudolf Moser} betrifft und das folgende sechsseitige Protokoll mit exakten Angaben zu Kontakten und Stützpunkten in Kärnten und Osttirol, zu einer bei der körperlichen Durchsuchung festgestellten Zyankali-Kapsel, zu Chiffrierungs- und Dechiffrierungssystemen, zu den Aufgaben britischer Missionen bei den italienischen Partisanen, zum Einsatz als Freiwilliger bei den Internationalen Brigaden in Spanien, zur Einschätzung der Lage in Österreich bei britischen Stellen, zu britischen Nachrichtendiensten, zum österreichischen Exil in Rom, Bari und London, mit genauen Beschreibungen anderer SOE-Agenten und Ausbildner ausschließlich Hubert Mayr zuzuordnen ist. Diese Seiten gehören inhaltlich zu jenem Bericht über Georges Charls Panks [Hubert Mayr], der auf dem Mikrofilm in den Rahmen 085408-085411 festgehalten ist.

Abgesehen von den inhaltlichen Verzerrungen, die durch eine solche Verwechslung entstehen, ist sie hinsichtlich einer weitergehenden Angabe von Ljuba Dornik Šubelj in ihrem jüngsten Buch "OZNA in prevzem oblasti 1944-46" von Bedeutung. Hier schreibt sie, ohne weitere Quellen dafür zu nennen, dass die OZNA manche Gefangene ohne Gerichtsverhandlung exekutiert habe. Zu ihnen gehörte der englische Fallschirmspringer Heinrich Neumann, der Freiwilliger im Spanischen Bürgerkrieg gewesen sei und von Miro Perc-Maks verhört worden war. Namentlich verweist sie mit Heinrich Neumann zwar auf Rudolf Moser, biografisch aber auf Hubert Mayr. Wenn es tatsächlich konkrete Hinweise auf die Exekution Heinrich Neumanns gibt, ist die Verwechslung aber wohl irrelevant. Denn wenn das Todesurteil der OZNA über einen der beiden gefällt wurde, ist es unwahrscheinlich, dass der andere mit dem Leben davonkommt. Bis auf weiteres kann man deshalb davon ausgehen, dass Rudolf Moser gemeinsam mit Hubert Mayr von der OZNA ermordet worden ist.

Siehe auch Georg Dereatti, Johann, Ludwig und Stefan Hassler, Hubert Mayr, Robert Schollas

Quellen

Wehrmachtdienstzeiten des Rudolf Moser, geb. 01.04.1923 in Dellach. Deutsche Dienststelle (WASt), 15.02.2018; Matriken der Pfarre St. Daniel im Gailtal; Liste der im 2. Weltkrieg Gefallenen der Gemeinde Dellach im Gailtal, Gemeindeamt Dellach; Chroniken der Gendarmerieposten Dellach i. Gailtal und Mauthen, DÖW 17858/2, DÖW 17858/14; Verschiedene Dokumente und Telegramme aus The National Archives, HS 6/22 (Faszikel zu Einsätzen der Österreich-Abteilung von SOE); Safe Houses, couriers and contacts given by SOE missions in N.E. Italy summer and autumn 1944. TNA HS6/22; Present Location of Austrian Section Agents, 12.6.1945, TNA HS6/22; Report on British Mission in Frontier Area of North East Italy. Appendix „B“, November 1944, TNA HS6/850; Arhiv Republike Slovenije (ARS), AS 1931, Republiški sekretariat za notranje zadeve, t. e. 693, 301-4, OZNA za Slovenijo, načelstvo in I. odsek, [Bericht für Matija in Baza 24 über Georges Charls Panks, 13.11.1944] (Mikrofilmrahmennr. U 85408-85411); ARS, AS 1931, t. e. 655, 301-34, OZNA za Slovenijo, Odsek za oblast IX. korpusa, II. sekcija, fascikel II., mapa 3, Zapisniki zaslišanj A-O, Zasliševanje Henrich Nejuman, 11. 11. 44 (Maks, 15.11.44) (Mikrofilmrahmennr.  U 85412); Arhiv Republike Slovenije (ARS), AS 1931, t. e. 610, 301-303, Koroški odred – obvešÄevalni oddelek, K. O. of. Grega, Izjave ki sta jih dala amerikanca Georg in Henry. Für äußerst wertvolle Auskünfte danke ich Ivo Jevnikar, Heinz Kanzian, Gustav Moser, Albin Moser, Johann Grünwald, Doris Robatsch, Heidemarie Steiner, Josef Schachner, Manfred Wassermann und vor allem Hannelore Lackner.

Literatur

Peter Pirker, Ivo Jevnikar: "So geheim wie möglich", in: Die Presse, Spectrum, 14.4.2018, III; Peter Pirker: Agenten, Kuriere und Sichere Hauser, in: Peter Pirker (Hg.): Patrick Martin-Smith, Widerstand vom Himmel, Wien 2004, S. 357-361; Peter Pirker: Agents in Field. Zur Rekrutierung von Mitarbeitern der „Austrian Section” im britischen Geheimdienst „Special Operations Executive“ 1942-1944, in: zeitgeschichte 31 (2004) 2, 88–120; Patrick Martin-Smith: Widerstand vom Himmel. Österreicheinsätze des britischen Geheimdienstes SOE 1944, hg. Peter Pirker,  Wien 2004, 85-87; Peter Pirker: Moser, Rudolf, in: Bernhard Gitschtaler (Hg.): Ausgelöschte Namen. Die Opfer des Nationalsozialismus im und aus dem Gailtal. Ein Erinnerungsbuch, Salzburg 2015, 283-285; Ljuba Dornik Šubelj: Oddelek za zašÄito naroda za Slovenijo, Ljubljana 1999, 151-152; Dies.: Fieldingova misija v zapisih OZNE, in: Prispedki za novejšo zgodovino XLVI (2006) 2, 81-92, 81; Ljuba Dornik Šubelj: Ozna in prevzem oblasti 1944-46, Ljubljana 2013, 95; Marjan Linasi: Še o zavezniških misijah ali kako in zakaj je moral umreti britanski major Cahusac, in: Zgodovinski ÄŒasopis, 1-2 (2004), 99-126; Marjan Linasi: Die Kärntner Partisanen. Der antifaschistische Widerstand im zweisprachigen Kärnten unter Berücksichtigung des slowenischen und jugoslawischen Widerstands, Klagenfurt/Celovec 2013; Michael Koschat: Die Kooperation österreichischer Widerstandskämpfer mit der friulanischen Partisanendivision "Osoppo-Friuli" im Jahre 1944, in: zeitgeschichte, 7 (1988), 282-293; Michael Koschat: Die italienischen "Partisanenrepubliken" im Sommer und Herbst 1944. Improvisation oder historisches Modell? Dissertation, Universität Wien, 2003; Gorazd Bajc/Blaz Torkar: Ivan Rudolf in padalci/Ivan Rudolf e i paracadutisti/Ivan Rudolf and parachutists, Koper 2009.

Rudolf Moser (mitte), Gottlieb Steiner (1. v. l.) (Quelle: privat)

Ausschnitt aus einer Funksendung der SOE-Basis in Monopoli (Italien) an die SOE-Zentrale in London, 9.9.1944. Die Mitteilung gibt eine Funksendung des SOE-Offiziers George Fielding aus Liiaris (Carnia) vom 29.8.1944 wieder. Rudolf Moser erhielt demnach den Decknamen "Henry". Er überschritt neuerlich die Grenze, um Kontakte für Hubert Mayr ("Banks") herzustellen. Als Anlaufstelle in Kötschach wurde ein Mann namens "Holzfeind" genannt. Als Kennwörter waren "Wildspitze" und "Ötztal" vereinbart.