William J. McCurdy

Geburtsdatum 12.1.1923
Geburtsort Pocatello
Todesdatum 16.11.1944
Todesort Berg

Am 16. November 1944 überflogen gegen 12.30 Uhr mehrere US-Bomber das Obere Drautal in Richtung Süden. Eines der Flugzeuge kam durch einen Motorschaden in Schwierigkeiten. Die siebenköpfige Besatzung rettete sich durch einen Absprung mit Fallschirmen. Fünf der US-Soldaten landeten unverletzt im Gemeindegebiet Berg, zwei in der Gemeinde Dellach. Der 21-jährige Pilot William James McCurdy kam alleine und abgelegen im Gemeindegebiet Berg (Ebenberg) zu Boden.

Während die restlichen sechs US-Soldaten von der Landwacht festgenommen und der Gendarmerie übergeben   wurden, überlebte William McCurdy seine Notlandung nicht. Als er sich im etwa 30 bis 35 Zentimeter hoch liegenden Schnee unbewaffnet und mit erhobenen Händen auf zwei bewaffnete Landwachtmänner, Anton Taurer und Franz Winkler, zubewegte, um sich zu ergeben, legten diese ihre Gewehre an und schossen auf ihn, ohne einen Warnschuss abgegeben zu haben. Eine Kugel traf William McCurdy von vorne in den Bauch. Er brach zusammen und starb kurz darauf an seinen Verletzungen. Der Leichnam von William McCurdy wurde am Friedhof in Waisach beigesetzt; der Täter Anton Taurer wurde laut Chronik der Gendarmerie Greifenburg „für sein unerschrockenes Handeln mit einer Anerkennungsurkunde und einer Belohnung von 100 RM ausgezeichnet“.

Der gewaltsame Tod des US-Piloten war im Februar 1947 Gegenstand eines Prozesses der US-Militärkommission in Salzburg zur Aufklärung von Kriegsverbrechen – insgesamt gab es zwischen Mai 1946 und Mai 1948 16 solche Kriegsverbrecherprozesse gegen insgesamt 61 Angeklagte. Für die Ermittlungen zum Tod von William McCurdy wurde sein Leichnam exhumiert und untersucht. Nach einem peniblen Untersuchungen mit einer genauen Nachstellung am Tatort, zahlreichen Zeugeneinvernahmen, medizinischen Gutachten und Ermittlung der Befehlslage wurden neben Anton Taurer und Franz Winkler auch der Greifenburger Gendarm Stefan Hanser und der Ortsgruppenleiter der NSDAP, Anton Oberzaucher, angeklagt. Das Gericht befand die beiden Landwachtmänner Taurer und Winkler für schuldig, William McCurdy vorsätzlich und mit Absicht getötet und damit ein Kriegsverbrechen begangen zu haben. Die Tat verstieß gegen die Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen. Die Erschießung von William McCurdy war einer von etwa 350 „Fliegermorden“, die in der Endphase des Dritten Reiches verübt wurden. Sowohl Hanser als auch Oberzaucher wurden vom Gericht hingegen freigesprochen.

Die Landwachtmänner beriefen sich auf einen Befehl des NSDAP-Kreisleiters Matthias Zmölnig, den dieser während eines Appells gegeben habe, nämlich abgesprungene alliierte Soldaten zu erschießen: „Alles, was vom Himmel kommt, muss wieder in den Himmel zurückbefördert werden“, soll Zmölnig laut dem Ortsgruppenleiter von Dellach, Ignaz Pirch, angeordnet haben.

Die Strafe für Anton Taurer und Franz Winkler lautete auf lebenslange Haft. Sie wurde nach einer Überprüfung von Anklage, Verfahren und Urteil durch den Kommandierenden General der US-Armee in Österreich, Mark W. Clark, bestätigt. Im Jahr 1948 – der Kalte Krieg hatte im Jahr zuvor begonnen – stellten die westlichen Alliierten die Ahndung von Kriegsverbrechen in Österreich ein. Stattdessen wurde mit der Ausarbeitung eines Begnadigungsprogrammes für die bereits verurteilten Täter begonnen. Drei Jahre später suspendierte die US-Militärjustiz Franz Winklers lebenslängliche Strafe aus Gründen der Menschlichkeit.

Anton Taurer erhielt einen Strafnachlass von lebenslänglich auf 25 Jahre Freiheitsentzug, was im Begnadigungssystem faktisch eine Entlassung im Mai 1955 ermöglichte. Eine Intervention des Salzburger Landesrat Sepp Weisskind (SPÖ) erbrachte einen weiteren Nachlass von zwei Jahren, wodurch Anton Taurer 1954 auf „Parole“ aus der Haft entlassen wurde. Dies bedeutete, dass er bei aufrechter Gültigkeit des Urteils einen Teil der Strafe außerhalb der Gefängnismauern unter gewissen Auflagen verbüßen konnte. Eine der Bedingungen war, dass er die Tat bereute.

William James McCurdy war der Sohn von Charles Berg McCurdy und Erma Bybee McCurdy, die im US-Bundesstaat Idaho, in der Stadt Pocatello nördlich von Salt Lake City lebten und der Religionsgemeinschaft der Mormonen angehörten. Charles Berg McCurdy fungierte als Bischof der "Kirche Jesu Christi der Heiligen Letzen Tage" und war Angestellter eines lokalen Fuhrunternehmens. Bill hatte zwei Brüder (Charles, Dean), die ihren Kriegseinsatz überlebten und eine Schwester, Tedda.

Vorne: Charles Berg McCurdy, Erma Bybee McCurdy; hintere Reihe v. l. Charles, Dean, Tedda, William McCurdy.

Ein wichtiger Teil der Erinnerungsarbeit ist die Auseinandersetzung mit Mythen. Die im oberen Drautal verbreitete und kursierende Überlieferung, wonach William James McCurdy der einzige Sohn eines US-Generals gewesen wäre, der als "Rache" für die Ermordung seines Sohnes die Ortschaft Ebenberg bombardieren hätte lassen, hat sich durch die Recherchen und die Kontaktaufnahme mit der Familie als ein solcher Mythos herausgestellt.

Im März 2013 besuchte George Knott, ein pensionierter Jurist aus Kalifornien, der 1947 aus der Steiermark in die USA emigriert war, während eines Urlaubes die Gedenkstätte in Greifenburg. Nach seiner Rückkehr recherchierte er nach der Familie von William James McCurdy und fand sie. Der gleichnamige Neffe, Professor für Philosophie an der University of Idaho erzählte die Geschichte seines Onkels dem Idaho State Journal. Die Familie kannte das Schicksal von William seit vielen Jahren. Sie hatte den Ausgang des Kriegsverbrecherprozesses mitverfolgt und Zeitungsausschnitte und Unterlagen dazu gesammelt. Die Nachricht, dass William auf einem Denkmal für Widerstandskämpfer und Verfolgte des NS-Regimes nahe seinem Todesort gedacht wird, nahm die Familie sehr positiv auf.

Im Oktober 2015 besuchten Angehörige der Familie von William J. McCurdy das Denkmal in Greifenburg. Steven McCurdy, Renae Mortensen, Tilo McCurdy, Rosalie McCurdy-Kirk und Charles McCurdy übergaben dem Verein aegide ein Gedenkbuch mit Fotos, Briefen und Dokumenten über ihren "Uncle Bill". Wir berichteten der Familie über unsere Recherchen zu seinem Tod und führten die Familie auf deren Wunsch an den Todesort und auf den Friedhof Waisach, wo William McCurdys Leichnam 1944 beerdigt worden war.

Nach der Exhumierung hatte die US-Armee den Leichnam in einem Soldatenfriedhof in Frankreich beigesetzt, schließlich wurde William McCurdy in seine Heimat gebracht. Seine letzte Ruhestätte war das Familiengrab auf dem Basalt Friedhof nördlich der Stadt Firth in Idaho.

Bericht Kleine Zeitung

Bericht State Idaho Journal

 

Quellen

Chroniken der Gendarmerieposten Greifenburg, DÖW 17858/8, Dellach/Drau DÖW 17858/3; National Archives Washington US007 Case Nr. 5-113 470226; KLA LGK 404/47; Idaho State Journal, 11.10.1976; The Post Register, 12.11.1973; http://www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=64991874

Literatur

Nazi Crimes on Trial. "Dachau Trials". Trials by U.S. Army Courts in Europe 1945 1948 (Projekt des Department of Criminal Justice, University of Toledo und der Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Amsterdam)